„Das sind doch bloß durchgeknallte Spinner…“

Formen des Umgangs mit Holocaustleugnung

Fachliche Einführung

Was ist Holocaustleugnung?
Holocaustleugnung ist eine ausgesprochen radikale Form des sekundären Antisemitismus, der auch als „Entlastungs- oder Schuldabwehr-Antisemitismus“ bezeichnet wird. Der Holocaust mit seinen etwa 6 Millionen jüdischen Opfern und den mindestens einer Million ermordeten Sinti und Roma verhindert auch 70 Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges eine rein positive Identifikation mit der deutschen Nationalgeschichte. Als Holocaustleugnung – auch als Holocaustrevisionismus bezeichnet – gilt jede Behauptung, dass der industriemäßig organisierte Massenmord an den Juden durch die Nationalsozialisten und ihre Komplizen in den von den Deutschen besetzten Gebieten bzw. Ländern nicht stattgefunden habe. Weitere Merkmale sind die Leugnung oder das Anzweifeln der Tötungsformen (Gaskammern, Massenerschießungen etc.) und/oder der Vorsätzlichkeit des Völkermordes. Oft treten bei dem Phänomen der Holocaustleugnung antisemitische Verschwörungsfantasien auf. In diesem Fall behaupten die Leugner, dass der Holocaust das Ergebnis einer Verschwörung der Juden sei, um daraus politische und finanzielle Vorteile zu ziehen. Wie in der Grafik von Statista, die auf der Eurobarometer-Umfrage beruht, ersichtlich ist (veröffentlicht im November 2019), ist für 71 Prozent der befragten Deutschen das Thema „Leugnung des Holocaust“ ein ziemlich wichtiges bzw. ein sehr wichtiges Problem.

Der Begriff Holocaust kommt aus dem Griechischen und bedeutet „vollständig verbrannt/Brandopfer“. In Israel und im Judentum wird häufiger der Begriff Schoah, aus dem Hebräischen für „Katastrophe, Zerstörung, großes Unglück“, verwendet.

Wichtiger Hinweis:
Das Modul setzt sich nicht damit auseinander, ob es den Holocaust gegeben hat. Der Holocaust ist der weltweit am umfangreichsten dokumentierte Genozid, es existieren zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen, Erfahrungsberichte der Überlebenden und Aussagen der Täter. Der Inhalt des Moduls ist eine mögliche Form der kritischen Auseinandersetzung und des Umgangs mit Holocaustleugnung, die als eine extreme Erscheinungsform des Antisemitismus gilt.
Wir empfehlen, dieses Modul nicht zu verwenden, wenn Sie davon ausgehen, dass es Teilnehmende mit verfestigten holocaustleugnenden Meinungen gibt.

Weiterführende Links:

Literatur:

  • Lipstadt, Deborah: Der neue Antisemitismus. München: Berlin Verlag, 2018.
  • Lipstadt, Deborah: Leugnen des Holocaust: Rechtsextremismus mit Methode. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1996.
  • Vidal-Naquet, Pierre: Die Schlächter der Erinnerung: Essays über den Revisionismus. Wien: WUV, 2002.
  • Benz, Wolfgang u. a. (Hrsg.): Legenden, Lügen, Vorurteile: ein Lexikon zur Zeitgeschichte. München: Moos, 1990.
  • Die Auschwitzleugner: „revisionistische“ Geschichtslüge und historische Wahrheit. Berlin: Elefanten Press, 1996.
  • Wahrheit und Auschwitzlüge: zur Bekämpfung „revisionistischer“ Propaganda. Wien: Deuticke, 1995.
  • Mentel, Christian: „Auschwitz muss fallen …“ Die Negation des Holocaust und die extreme Rechte in der Bundesrepublik, Dokserver des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam, http://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.1.1148
  • Mentel, Christian: Die Geschichtsfälscher, https://www.zeit.de/zeit-geschichte/2017/03/holocaust-leugner-antisemitismus-rechtsextremismus (abgerufen 19.12.2019)

Ziele:

  • Die Teilnehmenden sind befähigt, sich argumentativ mit den unterschiedlichen Möglichkeiten des Umgangs mit Holocaustleugnung auseinanderzusetzen.
  • Die Teilnehmenden werden für das Thema Holocaustleugnung in seinen verschiedenen Facetten sensibilisiert.
  • Die Teilnehmenden lernen fundierte Informationsquellen kennen, zum Beispiel die Seite „Holocaust-Referenz“, um in der Auseinandersetzung mit Holocaustleugnern argumentativ gestärkt zu sein.
  • Die Teilnehmenden setzen sich mit der Frage auseinander, warum es in den heutigen Zeiten des Internets so wichtig ist, sich mit dem Thema Holocaustleugnung und seinen Auswirkungen weltweit zu beschäftigen.

Wichtiger Hinweis:
Zielgruppe:
Schülerinnen und Schüler der Klasse 11 und 12, Erwachsene
Voraussetzungen:
Die Teilnehmenden haben den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust behandelt, sodass Wissen über den Holocaust vorausgesetzt werden kann.
Die Teilnehmenden sollten grundsätzlich am Thema interessiert sein.

Kurzablauf:

AblaufMethodeMaterialZeitumfang
EinstiegVortrag, Fragerunde Einteilung in drei GruppenWhiteboard/Tafelca. 10 Minuten
GruppenarbeitMaterial lesen
Vorbereitung auf die Diskussion
Arbeitsblätterca. 10 Minuten
DiskussionJede Gruppe argumentiert zu den Vor- und Nachteilen ihrer Form des Umgangs mit HolocaustleugnungWhiteboard/Tafelca. 15 Minuten
Ergebnissicherung, AbschlussZusammenfassung, Abfrage der eigenen Standpunkte der Teilnehmenden,
Vorstellung der Seite „Holocaust-Referenz“
Laptop und Beamerca. 10 Minuten

Ablauf:

1) Fragen Sie die Teilnehmenden, ob sie schon in Kontakt mit Holocaustleugnung gekommen sind und wenn ja, in welcher Form. Wenn die Lehrkraft vorher ein eigenes Erlebnis dazu schildern kann, wäre das ein guter Einstieg.
Danach gibt die Lehrkraft einen kurzen Einblick in das Thema Holocaustleugnung.
Die Teilnehmenden tragen zusammen, welche Möglichkeiten es gibt, mit Holocaustleugnung umzugehen: 1. Ignorieren; 2. Diskussion mit den Leugnern; 3. Beweisen, dass Holocaustleugner lügen.

10 Minuten

2) Teilen Sie die Teilnehmenden willkürlich in drei Gruppen ein. Die Mitglieder jeder Gruppe erhalten ein Arbeitsblatt und sammeln Argumente, die die These ihrer Gruppe für den richtigen Umgang mit Holocaustleugnung untermauern. Auch Nachteile können benannt werden. Geben Sie den einzelnen Gruppen nötigenfalls Anregungen.

10 Minuten

3) Jede Gruppe hat die Gelegenheit (entweder wird ein Sprecher gewählt oder alle Gruppenmitglieder haben die Möglichkeit zu sprechen), ihre Argumente vorzutragen. Die Mitglieder der anderen Gruppen können darauf mit Gegenargumenten reagieren.

15 Minuten

4) Jetzt haben die Teilnehmenden die Möglichkeit, ihre persönliche Meinung zum Umgang mit Holocaustleugnung zu äußern, unabhängig davon, in welcher der drei Gruppen sie waren.
Stellen Sie den Teilnehmenden die Seite „Holocaust-Referenz“ vor.
Wenn Zeit und Interesse besteht, kann die Historikerin Deborah Lipstadt, ihr Buch und/oder das Video mit ihr vorgestellt werden.

10 Minuten

Arbeitsblätter
Gruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
Lehrkräfte Gruppe 1
Lehrkräfte Gruppe 2
Lehrkräfte Gruppe 3

Steckbrief zu Deborah Lipstadt:

Die 1947 in New York geborene Historikerin ist eine der renommiertesten ForscherInnen zum Holocaust weltweit.
1993 gab sie die erste wissenschaftliche Monografie zur Holocaustleugnung heraus: „Denying the Holocaust: The Growing Assault on Truth and Memory“.
In der Bundesrepublik erschien das Buch 1994 unter dem Titel „Leugnen des Holocaust: Rechtsextremismus mit Methode“.
Dieses wissenschaftliche Werk wurde weltweit mit einer ungewöhnlich großen Aufmerksamkeit bedacht. Deborah Lipstadt stellt darin die Ergebnisse ihrer jahrelangen Beschäftigung mit den Lügen und Halbwahrheiten international bekannter Holocaustleugner vor. Fundiert analysiert und widerlegt sie die Argumentationen der Holocaustleugner. Dieses Standardwerk ist auch in der Gegenwart unverzichtbar bei der Auseinandersetzung mit dem internationalen Phänomen der Holocaustleugnung.
Im September 1996 verklagte David Irving, ein britischer Holocaustleugner und Geschichtsrevisionist, Deborah Lipstadt vor einem Londoner Gericht wegen Beleidigung, übler Nachrede und Geschäftsschädigung.
Nach britischem Recht muss in einem solchen Verfahren nicht der Kläger die Richtigkeit seiner Anschuldigungen beweisen, sondern der Beklagte muss seine Unschuld beweisen. Am 11.04.2000 erfolgte der Urteilsspruch, die Klage Irvings wurde abgewiesen und Deborah Lipstadt in allen entscheidenden Punkten Recht gegeben.
2016 kam die US-amerikanisch-britische Filmproduktion „Verleugnung“ in die Kinos, die diesen Prozess zum Inhalt hatte.

Video mit Deborah Lipstadt:
https://www.ted.com/talks/deborah_lipstadt_behind_the_lies_of_holocaust_denial?language=de
(abgerufen 19.12.2019)

Wenn es nicht möglich ist, das gesamte Video (circa 15 Minuten) zu zeigen, empfehlen wir das Zeigen ab Minute 8:17 (Laufzeit dann noch circa 7 Minuten).

Eine weitere Möglichkeit wäre, das Video oder Teile davon ohne deutsche Untertitel im Englischunterricht zu zeigen.

Holocaustleugnung ist in der Bundesrepublik Deutschland strafbar.

https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__130.html (abgerufen 19.12.2019)
Einige Kernaussagen des Artikels von Philipp Daum: Alles über Paragraf 130 III StGB: Gesetz gegen Holocaustleugnung
https://taz.de/Gesetz-gegen-Holocaustleugnung/!5457020/ (abgerufen 19.12.2019)

Die Leugnung des Holocaust ist laut Paragraf 130 Absatz 3 StGB ein Meinungsdelikt.

Artikel 5 des Grundgesetzes schützt die Meinungsfreiheit, für die es aber drei Schranken gibt. Die entscheidende ist im Fall der Holocaustleugnung die Verletzung der Würde der Opfer und ihrer Angehörigen. Grund für die alleinige Nennung des Holocaust als Völkermord im Gesetz ist die Auffassung, dass der Holocaust das/ein (?) singuläres Ereignis der deutschen Geschichte ist. Strafbar sind neben der Leugnung auch die Verharmlosung und Relativierung. Das Gesetz stellt die öffentliche Leugnung unter Strafe, die bei der kleinen Versammlung anfängt. Aussagen in den Medien gehören selbstredend dazu. Es wird zwischen „einfacher“ und „qualifizierter“ Holocaustleugnung unterschieden. Letztere wird etwa durch die Behauptung untermauert, „dass die Juden hinter dem Holocaust stecken, um Geld zu erpressen oder sonstwie die Weltherrschaft zu erlangen“ (Philipp Daum).

Die Leugnung der NS-Verbrechen und des Holocaust wird weltweit in den einzelnen Staaten unterschiedlich gehandhabt. In den USA, in Großbritannien und in den skandinavischen Ländern ist Holocaustleugnung nicht strafbar.

Fortführend zum taz-Artikel könnte unseres Erachtens eine Erklärung für den rechtlichen Umgang mit Holocaustleugnung in den USA (wo die Meinungsfreiheit ein sehr hohes Gut und am stärksten geschützt ist) und in Großbritannien der Umstand sein, dass auf ihren Territorien keine Judenverfolgung und -vernichtung stattgefunden hat. In den skandinavischen Ländern waren aus verschiedenen Gründen die Opferzahlen im Vergleich zu den kontinentaleuropäischen Ländern deutlich geringer.
https://www.bpb.de/fsd/centropa/ermordete_juden_nach_land.php
(abgerufen 19.12.2019)